Den Namen Engelbert Humperdinck verbinden viele Klassik-Fans mit seiner berühmtesten Oper "Hänsel und Gretel". Weit unbekannter und zu Unrecht wesentlich seltener zu hören sind seine "Königskinder". Ein tiefgründiges und farbenprächtiges Kunstmärchen über das tragische Schicksal zweier junger Menschen, denen sich eine eitle, satte und herzlose Gesellschaft entgegenstellt. Eine Gesellschaft, die alles verbannt, was sie befremdet, und in der nur Geld und Status zählen. Dass es dabei am Ende keine Sieger geben kann, ist eine unbequeme Wahrheit.
Es ist die Geschichte der Gänsemagd (Leevke Hambach), die als Waisenkind bei ihrer vermeintlichen Großmutter (Louisa Reh) im Wald aufwächst und deren Herkunft lange unklar bleibt. Es ist auch die Geschichte des Königssohns (Nils Hübinette), der das väterliche Schloss verlässt, um der Krone überhaupt erst würdig zu werden. Es ist die Geschichte des Spielmanns (Lars Conrad), dessen Kampf gegen Unmenschlichkeit, Lügen und Habsucht in bittere Resignation mündet. Aber es ist auch die Geschichte der Kinder, die sich gegen ihre Eltern auflehnen und vermögen, wozu die einfältigen Bürger Hellabrunns nicht im Stande sind: Fremde nicht nur nach ihrem Äußeren zu beurteilen. Angesichts gesellschaftlicher Debatten über soziale Ungleichheit, nationale Identität, die Anliegen demonstrierender Schüler oder den Umgang mit Fremden hat Elsa Bernsteins Libretto seit der Uraufführung vor über 120 Jahren nicht an Aktualität verloren. In was für einer Gesellschaft wollen wir leben? Über diese Frage bringen uns die "Königskinder" auch heute noch zum Nachdenken.
Engelbert Humperdincks Märchenoper war am 29. und 30. Juni in einer Bearbeitung für zwei Klaviere zu vier Händen von Marcus Friedrich im Theater der Jungen Welt Leipzig zu erleben.
An der Aufführung waren neben den Hauptpartien Luc Dhénin (Der Holzhacker), Fredrik Essunger (Der Besenbinder), Andreas Drescher (Der Ratsälteste), Maurice Giancarlo Avitabile (Der Wirt), Lotte Letzig, Carlotta Wernicke, Lotte Wittig (Die Tochter des Besenbinders), Kinderchor und Extrachor der Schola Cantorum Leipzig (Einstudierung: Grit Stief und Marcus Friedrich), Karen Schönemann (Choreografien), Kirsten Rennert (Werkeinführung) sowie Aya Kugele und Michelle Bernard (Klavier) beteiligt.