erschienen im Leipzig Almanach, 2003
Ein stimmungsvoller Abend war es, den die "Schola Cantorum Leipzig"unter der Leitung von Martin Lehmann in der ausverkauften Peterskirche gestaltete. Im Schatten des Thomanerchores und den Kinderchören von Gewandhaus und Oper entwickelte sich die seit 1963 bestehende Institution zu einem wichtigen, jedoch noch immer leicht übersehenen Klangkörper Leipzigs. Nachdem die Chöre lange Zeit unter dem vielbeachteten Leiter Eckhard Budrowitz auftraten, übernahm im November letzten Jahres der junge Dresdner Dirigent Martin Lehmann die Geschicke der "Schola Cantorum". Das seit 1982 von der Stadt getragene Ensemble, bestehend aus drei, den Altersstufen entsprechenden Chören, beheimatet ausschließlich Mädchen und junge Frauen im Alter von fünf bis fünfundzwanzig Jahren. "Natürlich ist es schwierig, gerade in Leipzig, angesichts knapper Kassen nun noch eine Institution zur musikalischen Nachwuchsgewinnung zu etablieren oder überhaupt zu erhalten.", so Lehmann. Hier ist eindeutig musikalische Überzeugungsarbeit zu leisten und genau diese konnten die Besucher des Weihnachtsliedersingens mit Freude erleben.
Thematischer Hintergrund des Programms waren vor allem englische Kompositionen und Weisen zur Weihnachtszeit. Somit erklang gleich zu Beginn ein Höhepunkt des Abends, Benjamin Brittens "Ceremony of Carols", eine wunderschöne Reihe von liedhaften Sätzen für hohe Stimmen und Harfe. Die Darbietung dieses recht schwierigen Werkes durch den Mädchenchor der "Schola Cantorum" hinterließ einen eher gemischten Eindruck. Deutlich zu hören war eine vermutlich auf tonliche Sicherheit und klangliche Homogenität angelegte Vorbereitungsphase. Der Chor agierte als gesamter Klangkörper, ohne unbeabsichtigtes Hervortreten von Einzelstimmen, und setzte ebenso die teilweise recht schnellen Tempi (6. Teil, "Der kleine Knab") erstaunlich homogen um, was zweifelsohne an Lehmanns gleichermaßen einfühlendem wie klarem Dirigat lag. Ob nun eine Stimmgruppe kurzzeitig zu kräftig, zu leise oder zu langsam agierte, eine kleine Geste des Dirigenten stellte die chorische Einheit wieder her.
Jedoch wurde an diesem Punkt auch ein Mangel der Vortragsweise deutlich, die allzu große Einheitlichkeit. Der Chor vermochte nicht die affektuellen Unterschiede der einzelnen Sätze, ob nun freudig bewegt, verinnerlicht wiegend oder gar kämpferisch erregt, voneinander abzugrenzen und zu verdeutlichen. Tongebung, Deklamation und Klanglichkeit hinterließen zwar einen sicheren, jedoch keinen sehr lebendigen Eindruck.
Den zweiten Teil des Programms (zwischen den Programmabschnitten wurde die Zuhörerschaft zum gemeinsamen Musizieren von" Tochter Zion" und "O du fröhliche"angeregt) bildete die Darbietung der bekanntesten Weihnachtslieder in mehrstimmigen, teilweise sehr schönen Bearbeitungen. Hier sind vor allem die Sätze von Reinhardt Syhre, seinerzeit Gründer der "Schola Cantorum", zu nennen. Ohne unnötigen weihnachtlichen Schmelz entfalteten sich die bekannten Melodien, umrahmt von gleichermaßen homophoner Schlichtheit wie polyphoner Verschränkung, in sehr eindringlicher, chorisch vollständig ausgewogener und intonatorisch sicherer Art, insbesondere die bekannte Volksweise "Maria durch ein´ Dornwald ging". Nahezu bruchlos fügten sich drei selten gehörte englische Weihnachtslieder, bearbeitet für Harfe und vorgetragen von Constance Lang, in die melodieselige Atmosphäre dieses Teils ein. Leider war das Instrument für den Raum schlichtweg zu leise.
Der letzte Abschnitt stand wieder zur Gänze im Zeichen der englischen Musik und bot gleich zu Beginn eine Überraschung: John Rutters "Carol of the Children" für Kinderchor und Harfe wurde nunmehr von dem Kinderchor der "Schola Cantorum" (neun bis dreizehn Jahre) gestaltet, wobei sich der Nachwuchs durchaus hoffnungsvoll präsentierte. Nach Bearbeitungen englischer Lieder von Britten und Rutter beschloss der Mädchenchor das Konzert mit einem Satz des Ungarn Jószef Karai über ein altenglisches Weihnachtslied, "The truth..". Hierbei kam noch einmal die klangliche Geschlossenheit, insbesondere der solistischen Besetzung, zur Geltung und der Abend wurde auf sehr verhaltene, angenehm unspektakuläre Weise beendet.
Den Besuchern wurde ein interessant gestaltetes Konzert dargeboten, welches sich durchaus als Alternative zu den unzähligen "Weihnachts-Oratorien" verstehen lässt, nicht nur weil es alljährlich stattfindet. Eine abwechslungsreiche und durchdachte Programmgestaltung, ausgewogener und sicherer musikalischer Vortrag und ein nebenbei bemerkt sehr sympathisches Erscheinungsbild des Chores wecken Interesse an weiteren Projekten (Bachfest 2003) der "Schola Cantorum".